Ausblick und Ermutigung

Der Friedhof in Gernsbach
Der Friedhof in Gernsbach

Wir erleben den vierten Sommer nach der Katastrophe. Wir haben seither wieder viele gemeinsame Spaziergänge im Schwarzwald unternommen – nicht mehr so weit, nicht mehr mit großen Höhenunterschieden – und waren mehrmals am Bodensee. Das Leben ist intensiver geworden, die Zweisamkeit zum wichtigsten Wert. Wir bewegen uns gemeinsam ohne Rollstuhl, Rollator, Gehhilfen. Gute und schlechte Tage wechseln, das ist normal, wenn man alt wird und sich „Die Leiden unserer Sterblichkeit“ (so der Titel einer lesenswerten Erzählung von Katherine Anne Porter) einfinden.

Tage, Abende, Ausblicke werden kostbar

Einen Fuß vor den anderen setzen: Das kann ein erhebendes Gefühl sein, wenn jemand aus dem Koma erwacht, nicht weiß, ob jemals wieder aufrecht stehen und gehen möglich, eine verschwundene Körperhälfte spüren mehr als ein Wunschtraum sein wird. Ich durfte meine Liebste auf dem Weg dorthin begleiten: erstes selbständiges Atmen,immer weniger lebenserhaltende Schläuche, erstes Sitzen auf der Bettkante, gestützt von strammen Handtuch-Bandagen, im Rollstuhl an die Sonne und frische Luft. Wilde Erdbeeren auf dem Klinikgelände pflücken und ihre Augen beim Naschen leuchten sehen. Aus dem Rollstuhl in die ermutigenden Trainingsstunden von Physiotherapeuten, denen wir uns nicht weniger dankbar verbunden fühlen als dem Hubschrauberpiloten, Rettungsärzten, Pflegekräften und anderen Medizinern, den fleißigen Helfern in Rehakliniken: Sie haben ihre Kräfte, ihre Freundlichkeit und Geduld in unser Glück investiert. Sie werden nicht angemessen honoriert im Vergleich zu Medienschwätzern und Politbürokraten.

Schwimmen fehlt noch – beinahe der einzige offene Wunsch. Und dass die Schmerzen ausbleiben…

Nächste Woche sind wir wieder am See. Vielleicht beginnt nach dem Urlaub ein neues Kapitel der Rehabilitation, Teil einer Studie, die hoffentlich neue therapeutische Möglichkeiten für viele Menschen erschließt, deren Flügel durch einen Schlaganfall gebrochen wurden. Ihnen allen gute Wünsche und Grüße: Glück ist das Unvergängliche im Vergehen – jeder Augenblick zählt.

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